WER SICH NICHT BEWEGT BLEIBT SITZEN
Bewegungserziehung
Kinder bewegen sich heute viel weniger und einseitiger als Kinder zu früheren Zeiten. Es gibt ja auch viel weniger zu erklettern, zu erforschen, zu balancieren …
„Der junge Mensch braucht seinesgleichen – nämlich Tiere, überhaupt Elementares, Wasser, Dreck, Gebüsch, Spielraum.
Man kann ihn auch ohne all das aufwachsen lassen, mit Teppichen, Stofftieren oder auf asphaltierten Straßen und Höfen, er überlebt es, doch sollte man sich dann nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nie mehr erlernt.“
Alexander Mitscherlich
Kinder verbringen heute mehr Zeit denn je in Zimmern, sei es im Kinderzimmer oder im Wohnzimmer vor Fernseher oder Computer.
An dieser Stelle möchte ich Sie bitten, sich einmal zu erinnern, womit Sie als Kind gespielt haben. Damals gab es kaum oder nur wenige Spielsachen, doch sicherlich haben Sie immer und überall etwas gefunden. Wahrscheinlich gab es etliche Freiflächen, auf denen Sie sich mit Kindern verschiedenen Alters getroffen haben, weitgehend ohne Bedrohung und Angst vor Übergriffen.
Unsere Kinder, von denen wir immer meinen, sie hätten es so gut, sind gleichzeitig auch arme, reiche Kinder. Denn – überlegen Sie mal:
- Wo gibt es noch Sandflächen, auf denen man Murmeln spielen kann?
- Wo gibt es noch tolle Verstecke?
- Wo gibt es Wände, die „Ballproben“ zulassen?
- Wo sind die Freiflächen?
Hier muss der Kindergarten mit vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten Gegenakzente setzen. „Wer sich nicht bewegt, bleibt sitzen“ heißt ein Film, der darlegt, dass Bewegungsmangel zu schulischem Versagen führen kann.
Im Offenen Kindergarten können Kinder zu fast jeder Zeit im gesamten Haus Spielorte für unterschiedlichste Erfahrungen suchen und einrichten. Sie können dort ihren Bedürfnissen entsprechend mit anderen Kindern zusammen sein oder sich zurückziehen. Ihre Kontakte zu Kindern und Erwachsenen sind erheblich ausgeweitet. Streifzüge durch das Gebäudeund ins Außengelände lassen viele Wahrnehmungserfahrungen zu.
Außenspielflächen sollten Bewegungsbaustellen sein; Kinder sollten Materialien vorfinden, die sie verändern - bewegen - können: Reifen, Holzlatten, Steine, …
Das kollidiert u. U. mit dem Gedanken des „Schöner Wohnens“, aber: Wo ich nichts finde, kann ich auch nichts verändern, kann ich nicht eigene Ideen umsetzen, kann ich keine neuen Erfahrungen machen.
In den Gruppenräumen verzichten wir dort, wo es möglich ist, auf „normale“ Tische und Stühle. Das gibt den Kindern die Gelegenheit, weiträumig zu spielen und bevorzugte Sitzhaltungen (z. B. an Knietischen) einzunehmen.
In unseren Bewegungsräumen haben die Kinder die Möglichkeit, mit den dort vorhandenen Materialien Bewegungslandschaften zu bauen, zu verändern und sich selbst zu erproben.
Ausflüge, Wandertage oder auch unsere jährlich stattfindende Waldwoche zeigen den Kindern, dass es Spaß macht, sich für ein Ziel anzustrengen.
Stichwort Bewegungslandschaften
Wir kennen die Situation vielleicht noch aus unserer eigenen Kindheit:
Man steht in einer langen Reihe vor einem Gerät (Bank, Kasten...) und wartet darauf, in der vom Übungsleiter vorgegebenen Form über dieses Gerät zu kommen …
Vorherrschend ist der Auftrag:
Mach es so und nicht anders!
Eine Bewegungslandschaft ist dem gegenüber ein Angebot, sich in einer selbst gewählten Form mit den Geräten auseinander zu setzen. Kinder beobachten sich untereinander, probieren aus, erproben sich, gehen immer wieder an ihre eigenen Grenzen, erweitern ihre Kompetenzen in ihrem ureigenen Tempo,
bestätigen sich selbst und erfahren Anerkennung durch die anderen Kinder und die Erwachsenen.
Vorherrschend ist das Angebot:
Mach es so, wie du möchtest!